Giftstoffe in unsrer Nähe
Datum: Montag, 22. November 2010 um 18:40
Thema: Skandale & Bananen


Alle Ding' sind Gift und nichts ohn' Gift; allein die Dosis macht, das ein Ding kein Gift ist.
Paracelsus



Heute kam eine Sendung auf BR II über die mit zunehmendem Alter immer schlimmer werdenden Folgen bei den Contergan-geschädgten Menschen. Es kommen einem die Tränen, wenn man die betroffenen Menschen erzählen hört. Wie wenig Schadenersatz vom Hersteller Grünenthal gezahlt wird; wie peinlich das Verhalten der MA der Krankenkassen, Sozialkassen und der Behörden sind. Man zweifelt an Solidarität und Menschlichkeit.
Zu denken gibt, dass Thalidomid nach Prüfung durch den Zentralen Gutachterausschuss der DDR für den Arzneimittelverkehr unter Vorsitz des bekannten Pharmakologen Friedrich Jung abgelehnt wurde!
In das juristische Nachspiel hatte sich auch der Henkel-Konzern eingeschaltet. Dabei ging es nicht um Medikamente, sondern darum, zu verhindern, dass in Deutschland ein Hersteller bei schädlichen und fehlerhaften Produkten in Haftung für dadurch entstandene Schäden genommen werden darf. Ein entsprechendes Urteil hätte wahrscheinlich einen Präzedenzfall gebildet.
Denn von 1958 bis zum 27.11.1961 hat auch der schottische Schnapshersteller Distillers (Produkte der Firma sind Whiskys der Marken „Jonny Walker“,“ Black and White“,“ Haig“ , „White Horse“, „Vat 69“, und Gin der Marken „Gordon s“, „Boot s“ „High and Dry“ den Wodka Cossack) mit der zu ihr gehörenden Distillers Biochemicals Ltd. den Wirkstoff Thalidomid unter dem Namen Distaval in westdeutscher Lizenz auf den britischen Markt gebracht. Distillers hat aber wesentlich höhere Entschädigung gezahlt als Grünenthal.
Während meiner Berufzeit bin ich mehrmals mit Giftstoffen konfrontiert worden.
Für Klimaanlagen und Heizungen im Fahrzeug wurden lange Zeit klassische Kunststoffe wie ABS und schlagzähes Polystyrol eingesetzt.
Plötzlich wurde Polypropylen von allen Seiten in das Rennen um den Markt geschickt. Im Urzustand werden die Bauteile krumm und schief. Talcuum-verstärkt wird es spröde.
Wehement kamen die Vertreter der damaligen Farbwerke Hoechst auf mich zu und beknieten mich ihr asbestfaserverstärktes PP einzusetzen. Es gäbe nur Vorteile, technisch und vom Preis. Ich zögerte, wollte längere Versuche abwarten und war skeptisch wegen des damals aufkommenden Verdachts auf Lungenkrebs, falls die Fasern beim „Entsorgen“ in die Luft kämen.
Ich wurde unter Druck gesetzt, ja man kann auch von Mobbing reden.
Meine Fachvorgesetzten meinten ich solle keine Zicken machen. Der Einkaufschef sollte dem Entwicklungsleiter meine Abberufung nahe legen. Meine Versuchpartner hintergingen mich und ließen Teile aus dem fraglichen Material herstellen und begannen die technische Erprobung. Dann platzte die Blase: Asbest wurde als sehr gefährlicher Stoff verboten. Wir hatten Glück gehabt!

Ein anderer, gefährlicher Stoff umgibt uns täglich: „Polyurethan“. Technisch äußerst attraktiv findet man ihn in elastischen Teilen, in Matratzen und Polstern, unter dem Teppichboden, in der Winterbekleidung, als Isoliermaterial, in Sportschuhen... Beim Verbrennen entsteht HCN, der Stoff mit dem die Nazis ihre Gegner vergast haben. In den französischen Staatsbahnen ist PU schon lange verboten. Deutsche Chemie hat mit ihrem Lobbyismus bei uns ein Verbot verhindert.

Viele Zusätze in Kunststoffen sind sehr bedenklich: Weichmacher, UV-Stabilisatoren (meist Radikalfänger), Farbstabilisatoren, Farben... Das bekannt hochgiftige Cadmium wurde nach zähem Widerstand der deutschen Industrie nun weltweit verboten.

Grundsätzlich gilt: je härter ein Atom eine Bindung mit einem weiteren eingeht, desdo mehr Energie ist zum Trennen nötig und desdo giftiger werden Schwelprodukte wie z.B. Furan aus Fluor oder Dioxin aus Chlor.

Was mich persönlich sehr nachdenklich macht ist das frühzeitige Ableben von mindestens 4 meiner nahe stehenden Kollegen, alle hatten viel mit Kunststoffen zu tun, waren fast Kunststoff-euphorisch und haben zahlreiche Proben in der Nähe ihres Arbeitsplatzes aufgehoben. Herr Repper, Abteilungsleiter für einen Großteil der Innenausstattung, Herr Fritzsche, HGL für Instrumententafeln und größere Kunststoffbauteile, Herr Breyer, GL für Innenaustattungen, Herr Renninger zuständig für die Erprobung . Als Todesursache wurde Hirnblutung, Darmkrebs und eine selten Form des Blutkrebses diagnostiziert.

Viele Schadstoffe migrieren in die umgehende Atmosphäre, wenn sie höheren Temperaturen und UV-Bestrahlung ausgesetzt sind.
US-Amerikaner, vertraut mit den Problemen, öffnen erst alle 4 Türen ihres Autos, lassen die stinkende Luft abziehen, schalten dann die Klimaanlage ein und kühlen den geschlossenen Innenraum bevor sie einsteigen.

Der amerikanische Shed-Test hat viel Massnahmen in unseren Autos nötig gemacht bevor wir ihn erfüllten. In Kiel gibt es einen Lehrstuhl, der sich mit freiwerdenden Giftstoffen beschäftigt. Die austretenden Gifte sind schwer vorhersehbar weil die Gase sofort mit der umgebenden Luft und untereinander reagieren, besonders wenn UV-Licht (Sonne) hinzukommt.

Ich habe eine klare Vorstellung wie böse Überraschungen verhindert werden sollten:

Jeder neu Stoff, egal ob in Verkehrsmitteln, den Wohnungen und Büros sowie in Lebensmitteln, Reinigungsmitteln und besonders Medikamenten muß langfristig und bestmöglich erprobt werden über den kompletten Lebenszyclus. Erst dann darf er zur Produktion freigegeben werden!

Natürlich laufen unsere Lobbyisten dagegen Sturm; ihr Argument: dann bringen es die Anderen (Japaner, Chinesen Inder...) vor uns auf den Markt und wir haben einen Wettbewerbsnachteil.

Der große, verantwortliche Versager ist unser Staat. Er sollte uns schützen und in zweiter Linie die Wirtschaft.
Der normale Bürger zahlt aber weder Parteispenden noch Schmiergelder in attraktiver Größenordnung.

Also, mit der „ substitutionelle Demokratie ”, manche nennen sie unverhohlen Korruption, haben wir genauso wenig Chancen wie die Gegner von Stuttgart 21.

Mit freundlichen Grüßen

Hanjörg Pabst






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