Rechtspopulist Pim Fortuyn ermordet
Datum: Dienstag, 07. Mai 2002 um 11:46
Thema: Weltpolitik


Nach dem gestrigen Mord an dem niederländischen Populisten Pim Fortuyn, dem ersten politischen Mord in der Geschichte der Niederlande, ist man geschockt und überlegt, die für den 15. Mai festgesetzten Parlamentswahlen zu verschieben.

Am gestrigen Abend wurde der Rechtspopulist und Führer der gleichnamigen "Liste" von einem weißen Niederländer auf dem Parkplatz des Rundfunkzentrums in Hilversum durch mehrere Schüsse in Kopf, Hals und Brust getötet. Der Attentäter verweigerte gegenüber der Polizei bisher jegliche Aussage.
Photo (c) Sueddeutsche.de
Kurze Zeit nach der Tat rief Ministerpräsident Wim Kok eine Sondersitzung des Parlaments ein, um über eine mögliche Verschiebung der Parlamentswahlen zu beraten. Währenddessen zogen Fortuyn-Anhänger zu dessen Wohnsitz, legten Kränze nieder und schmückten das Grundstück mit niederländischen Fahnen. In der Innenstadt von Den Haag randalierender mehrere Hundert Anhänger, warfen Steie und Flaschen, schmissen Schaufenster ein und steckten Blumenkästen in Brand. Einige der Anhänger trugen Kleidung mit Hakenkreuzen. Die Polizeit ging mit Schlagstöcken und Wasserwerfern gegen die Randalierer vor.

Der politische Outlaw der Niederlande hatte zuletzt mit seinen ausländerfeindlichen und Islam-feindlichen Parolen für viel Aufsehen gesorgt. Bei den Kommunalwahlen im März erreichte der ehemalige Soziologieprofessor in seiner Heimatstadt Rotterdam auf Anhieb knapp 35%, damals noch als Kandidat für die Rechtspartei "Leefbaar Nederland". Nach allzu aggressiven Aussagen über den Islam, trennte sich die Bewegung von ihrem Kandidaten, woraufhin Fortuyn seine eigene Liste gründete. Für die Parlamentswahl Mitte Mai wurden der Fortuyn-Liste gar 20% zugetraut und es wurde nicht für unwahrscheinlich gehalten, dass sie drittstärkste Kraft in den Niederlanden werden könnte.
Das politische Programm Fortuyns mutete seltsam an. Obwohl bekennender Homosexueller forderte er die Abschaffung des Diskriminierungsverbots in der Verfassung. Gegen Migranten zog Fortuyn mit markigen Sprüchen zu Felde. Er wollte das Schengener Abkommen und die Flüchtlingsverträge aufkündigen und notfalls wolle er die Niederlande ganz abriegeln.

Doch trotz dieser offensichtlichen politisch unappetitlichen Haltung hat Fortuyn immer abgelehnt, mit anderen europäischen Rechtsaussen wie Le Pen oder Haider vergliechen zu werden. Er stehe, so seine Aussage, allenfalls CSU-Chef Stoiber nahe, so Fortuyn bei einem Interview im April, und teile dessen Auffassung von Normen und Werten in der Gesellschaft. Der Unionskanzlerkandidat wird sich nicht sonderlich freuen, ausgerechnet von einem politischen Bürgerschreck wie Fortuyn als Partner angesehen zu werden.

Und dennoch ist nicht uninteressant, wie sich manche Forderungen Fortuyns mit denen hochrangiger CSU-Politiker decken. Seinen zentralen Slogan "Die Niederlande sind voll", kennt man mit ähnlichen Vorzeichen aus den Wahlkämpfen der CSU der letzten 15 Jahre. Er riet Asylsuchenden mit Zelt und ein wenig Nahrung in ein Nachbarland weiter zu ziehen. Den Islam bezeichnete er merkbefreit als "zurückgebliebene Kultur", der man das "Licht" Europas entgegen stellen müsste. Er hatte sich vorgenommen, die Unterstützung Behinderter und Kranker drastisch zu kürzen, gleichzeitig gewann er aber politisch Land, indem er populär gegen Korruption und schlechte Arbeitsmoral wetterte.

Die plötzlichen Wahlerfolge Fortuyns trafen die Niederlage empfindlich. "Multikulti" ist in den großen Städten wie Rotterdam, Den Haag und Amsterdam gewohnte Realität. Dennoch, so spekulierten Politforscher, scheint Fortuyn einen latente Rassismus der Niederländer geweckt zu haben.

Nun bleibt abzuwarten, wie die politische Rechte in den Niederlanden nach der Ermordung ihres lautstarken Kopfes reagieren wird.






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