Afrika - sich entwickeln oder entwickelt werden?
Datum: Donnerstag, 23. November 2006 um 00:11
Thema: Weltpolitik


"Afrika - wann bekommen wir endlich Angst?" fragt Wolf Eßmann 22.11.06 auf readers-edition.de in seinem Artikel über die ungerechte wie knappe Versorgungssituation der armen Länder, deren Folgen insbesondere die Frauen ausgesetzt sind, da sie maßgeblich für die Versorgung der Familie aufkommen müssen. Und er schließt, dass die Entwicklungsländer sehnsüchtig auf Hilfe warten. Alleine sei Afrika verloren.

So werden die ärmsten Länder gerne gesehen: sie seien gefangen in den Teufelskreisen der Armut. Allein, wird suggeriert, kämen sie aus diesen Kreisläufen nicht hinaus. Arme Länder können wenig produzieren, also höchstens den Eigenbedarf decken, also wenig Kapital bilden, ergo wenig investieren, darum nicht mehr produzieren. "Sie sind arm, weil sie arm sind."* In ihrem 464-seitigen Plädoyer für verstärkte Entwicklungszusammenarbeit greift die Kommission für Afrika (CfA) auf eben diese Sichtweise zurück. Viele Länder Afrikas seien so tief in dem Sumpf ihrer Probleme verstrickt, dass eine graduelle Erhöhung der Entwicklungsausgaben keine Lösung sein kann. Die Commission for Africa (CfA) identifiziert eine ganze Batterie von solchen Teufelskreisläufen, die lediglich durch große Anstrengungen in positive Kreisläufe umgewandelt werden können. “Africa will have to break out of a set of vicious circles that reinforce each other and shackle the continent. Without simultaneous and effective action on several priority fronts, successful development is unlikely.”**

Von Vornherein wird der Außeneingriff als unabdingbar gesetzt. Und der Außeneingriff dürfe nicht nur klein sein, sondern er solle groß sein. Die Industrieländer müssen die 'unterentwickelten Staaten' mal wieder entwickeln. Doch mit der Sichtweise, dass die Entwicklungsländer von Teufelskreisen gefangen gehalten werden, wird in Afrika schon seit fünf Jahrzehnten entwickelt. Der Erfolg liegt auf der Hand.

Wie arm sind die Entwicklungsländer wirklich? Nigeria kann mit Erdöl als einen der begehrtesten Rohstoffe aufwarten, der Kongo mit Coltan. Von den Ressourcen scheint die Bevölkerung dieser Länder keinen Gewinn zu haben. An der Preisschraube können die genannten Länder nicht drehen. Aber auch die hochbeschworene Bildung allein ist nicht der Ausweg. Tansania und Ghana weisen eine hohe Zahl von Hochschulabsolventen vor, die allerdings im Ausland nach Arbeit suchen müssen. Hohe Bildung allein macht eben noch kein entwickeltes Land.***

Sind es wieder die Industrieländer, die investieren, bleibt die Gefahr der Abhängigkeit von den Industrieländern allerdings groß. Vielleicht will man das auch nicht anders. Der Theoretiker Galtung schlägt eine Entwicklung vor, die auf vorhandene Kapazitäten beruht und erst dann, wenn keine andere Lösung gefunden werden kann, auf die Unterstützung der Industrieländer zurückgreift. Lieber solle die Bevölkerung zuerst selbst kreativ und engagiert sich um Entwicklung bemühen. Das heißt aber auch: ohne Wollen keine positiven Ergebnisse. Es erfordert das Mitspielen der Elite und deren Verzicht auf manch Privileg zugunsten der breiten Masse.

Wie schafften es die Länder China und Indien? Noch werden sie nicht als Industrieländer eingeordnet, aber sie sind allemal auf der Überholspur. Ihr Schlüssel sind die Schlüsselsektoren, auf die sie gesetzt haben und für die sie Sonderwirtschaftszonen errichten. Und vielleicht kupfern sie ein wenig Technologie vom Westen ab.

In Asien sehen wir phänomenale Ergebnisse der Entwicklung. Wie viel Entwicklung hätte man denn gerne in Afrika? Die Voraussetzung des Verzichts von Eliten scheint schon in der Ansicht Galtungs idealistisch. Sollten die Industrieländer verzichten? Wenn Länder Afrikas tatsächlich den Engelskreis, das große Eigenpotential, die Schlüsselindustrie finden, ist die CfA dann glücklich? Der Unterschied ist dann nämlich nicht mehr, dass ein großer Aufruf zur Entwicklungshilfe erfolgen muss, sondern dass die Investoren ganz von selbst kommen.


* Zu dem Schluss gelangt der Ökonom Nurkse 1953.
** CfA im März 2005
*** Zur Kritik von Teufelskreisansätzen lohnt sich ein Blick auf einige Arbeiten des Politologen Nuscheler.





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