Politik (un)edler Lüge
Datum: Dienstag, 08. November 2005 um 23:22
Thema: Weltpolitik


Lügen in der Politik können wir schnell aufzählen. Es werden Versprechungen gemacht und nicht eingehalten, Dementis geäußert und dann stellt es sich doch anders heraus.

Erst kürzlich schrieb ich über eine unedle Lüge in der hohen Politik, der Vorwurf des Präsidenten des Iran, daß Kanada den Terrorismus unterstütze. Das ist eine Lüge, die kurzatmig ist, aber doch weitreichende Folgen haben könnte. Lügen sind in der Politik nicht selten und gerade deswegen gehört ihnen eigentlich ein eigenes Kapitel.

Als Chodorkowski verhaftet wurde, ließ man aus dem Kreml verlauten, daß die Festnahme nicht aus politischen Gründen erfolgt habe. Niemand möchte Chodorkowski eine Weiße Weste aufzwingen. Die hatte er einfach nicht. Oppositioneller war er aber allerdings. Im Käfig stand er den Prozeß durch und ist nun im Arbeitslager, sein Unternehmen wurde zerschlagen und die Kuchenstücke wurden neu verteilt. Keine politischen Gründe? Dann also politikökonomische.

Die Augenbrauen gingen auf westlicher Hemisphäre hoch, als der noch amtierende Bundeskanzler Schröder die Demokratie Russlands als lupenrein bezeichnete. Glauben wollen das nur die wenigsten. Den Kreml hätte er gestreichelt obwohl der einen Klaps verdient hätte. War sein Zug dennoch der richtige? War die Lüge "edel"? Benutzen wir dafür ein Beispiel eines Münchner Politikprofessors: fällt auf einem Flugzeug eine Düse aus, werden die Passagiere schnell beunruhigt. Der Pilot wird den Passagieren mitteilen, daß man die Situation im Griff habe, was keineswegs der Wahrheit entspricht. Aber einer Panik würde es entgegenwirken. Das ist die sogenannte edle Lüge eines Experten. Zurück zum Kreml und zur Aussage des Bundeskanzlers: hat er vielleicht die BRD vor höheren Ölpreisen und kalten Schultern aus dem Kreml bewahrt - immerhin bezieht die BRD knapp über 30 Prozent des Öls aus Russland?

Jedenfalls hat es der werdenden oder vielleicht fahrenden Demokratie Russlands nichts Gutes getan. Ohne Zweifel ist Russland in einer schwierigen Situation. Es hat innere Unsicherheit erfahren und befindet sich nicht im Frieden. Dabei scheint Russland allerdings das Recht zu verkennen in seiner zweifelhaften Strategie gegen die Unordnung. Der Kreml setzt auf Machtkonzentration und schüchtert seine Kritiker ein.

Die USA mußten eine andere Lehre ziehen: Bundeskanzler Schröder hatte den Unmut Washingtons nicht gefürchtet. Außenminister Fischer hat Herrn Rumsfeld seine Bedenken mitgeteilt, als der bevorstehende Irakkrieg noch eine Streitfrage war. Aus höchsten Kreisen wurde die unedle Unwahrheit präsentiert, daß im Irak Massenvernichtungswaffen in Vorbereitung wären. Diese Unwahrheit sollte wieder weitreichende Folgen haben. Ohne dieser Lüge wäre der Krieg nicht durchsetzbar gewesen, es sei denn die USA wären noch mehr auf einen Alleingang und auf Vorwürfe aus aller Welt und Wut in den UN erpicht gewesen. Allerdings hätte der Irak seine neue Verfassung nicht bekommen und keine Wahlen gehabt. Lüge aus Gold? Oder nur aus Kupfer oder gar nur aus Zink? Oder ein Irrtum, wie es nun in der Öffentlichkeit gesehen werden sollte, wenn es nach dem Weißen Haus ginge?

Der Eingriff der USA in Irak war keineswegs in erster Linie eine Handlung für den Nächsten, sondern war auf Eigeninteresse begründet. Bolton drückt es am direktesten, undiplomatischsten und unedelsten aus, welche Interessen die USA immer verfolgen werden, nämlich die eigenen. Deswegen ist er auch nominiert und ins Amt gesetzt worden. Ergo Irreführung aus Eigennutz im Sicherheitsrat, das ist unedel.

Es ist schwer, Irrtümer, Irreführungen und Lügen aus der Politik wegzudenken. Und es ist sehr wahrscheinlich, daß viele von ihnen berechnend eingesetzt werden, denn der weitreichenden Folgen werden sich wohl die Schaffer bewußt sein. Sollten sie zumindest. Man kalkuliere, wie die Politik ausschauen würde, wenn die Summe der Lügen nur noch ein Fünftel der Lügen von heute wären.





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