Katrinistan
Datum: Freitag, 09. September 2005 um 00:32
Thema: Weltpolitik


Es kam schlimmer als erwartet. Der Hurrikan Katrina wurde heruntergestuft und doch hielten die Dämme nicht. Sie hatten Ausbesserungsarbeiten bitter nötig. Eine Millionenstadt wurde geflutet. Nun werden vielleicht sogar über 10.000 Todesopfer erwartet.

Ein heisser Streit ist entbrannt, wem für den Ausmass der Katastrophe die Schuld zugewiesen werden kann: die örtlichen Behörden, der Bundesstaat, dem Bürgermeister oder der nationalen Regierung, oder gar dem Filz der nun eingeschalteten Katastrophenschutzbehörden wie der FEMA (Federal Emergency Management Agency). Es geht auch ganz absurd: örtliche Prediger sehen ihre Chance und prangern die Gottlosigkeit der Stadt an. Der Hurrikan sei die Strafe Gottes für die Stadt, die unter dem Meeresspiegel liegt. Im Visier sind wie zuvor besonders die Homosexuellen. Bei einem Gottesdienst soll Frau Rice sogar zustimmend genickt haben. Doch hätte nicht die US-Regierung für die Ausbesserung der Dämme mehr Geld zur Verfügung stellen können? Man kann nur hoffen, dass aufgeweckte Zuhörer im Gottesdienst saßen, die zu hinterfragen wagen, was ein Prediger von der Kanzel schleudert und Zustimmung bei der Außenministerin findet. Den Namen des Herrn soll man übrigens nicht missbrauchen.

Nun wird schon davon gesprochen, dass Rassenunruhen drohen. Bittere Armut hat die Flut massenweise beschert: am Schwersten betroffen sind die Afro-Amerikaner. Sehr viele von ihnen konnten die Stadt nicht verlassen, da ihnen die Möglichkeit dazu fehlte. Sie fühlen sich benachteiligt und zurückgelassen, nicht nur das das: in ihnen hat sich Wut angestaut.

Sie, lieber Leser, liebe Leserin, haben sich die Bilder angesehen. Die Zurückgebliebenen waren fast nur Afro-Amerikaner.

Die Diskussion muss in kommender Zeit um Rasse und Klasse gehen. Die Bürger der USA, die staatlicherseits doch gerne patriotisch und zusammenstehend gesehen wird ("United We Stand") wie nach dem 11. September, sollen sie nun nur weiter zerbröckeln? Das kann doch nicht das Interesse der Regierung sein! Allerdings fordern die jüngsten Ereignisse diese Entwicklung geradezu heraus.

Es geht darum, den Betroffenen wieder ein neues Zuhause zu geben, vielleicht in dem alten und doch neuen NEW Orleans, ihre Traumata zu kurieren, aber doch auch den Rassenspannungen und die Klassenunterschiede anzugehen. Und ausserdem dürfen nicht noch mehr Kerben geschlagen werden, nicht zuletzt durch Predigten wie die oben erwähnte. Das ist dreiste Spalterei und tut dem inneren Frieden kein Gutes.

So schlimm diese Katastrophe auch ist, so sehr bietet sie doch Gelegenheit für verfeindete Staaten, sich anzunähern. Kuba bot seine Hilfe an und möchte 1100 Ärzte schicken. Venezuela möchte zur Krisenbewältigung ebenfalls Mittel zur Verfügung stellen. Das ist freilich keine Beilegung der Interessensdifferenzen von Regierungen, aber es ist deutlich ein Signal, dass es den beiden lateinamerikanischen Regierungen nicht daran liegt, dass die USA oder Teile von ihr samt Volk untergehen oder im Chaos versumpfen. Na also, schüttelt euch doch mal die Hände, Amtskollegen! Hoffentlich bleiben die angebotenen Hilfen nicht lange im Amtsfilz hängen. Jede Minute zählt - und jedes Menschenleben. Viel zu viele sind schon verloren. Die US-Regierung bekommt das Nachbeben schon jetzt zu spüren. Denn sie befindet sich nun inmitten Katrinistans.





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