Angezeigtes Thema: 'Muss eine Revolution blutig sein?'
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Von: Bodo (Rang: Moderator)   Beiträge: 2722
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Geschrieben am: 07.09.2002 um 17:42 (2005 mal angezeigt)   (Aktuell gewählter Beitrag)
Am 2002-09-07 01:13 hat revolutionsound geschrieben:


[(internationale) Wissenschaft]
Wenn X zuerst für A arbeitet und danach für B, heißt das nicht, daß A und B zusammenarbeiten.

Wenn X das Spiel genau kennt, kann er gegen B und für A arbeiten und tatsächlich auch für A und B arbeiten. Und wenn der Konflikt zwischen A und B vorbei ist, kann er auch von C übernommen werden, der für B eingegriffen hat. Natürlich nur, wenn A ganz oben mitspielt.

Letzteres eben nicht. Wissenschaftler sind freie Personen und keine Produkte, die ein Staat an den anderen verkauft.


Daraus und aus vielen ähnlichen Fällen läßt sich schliessen, daß wenn das Können von Nutzen ist, die Moral keine Rolle spielt. Das setzt aber nicht zwingend eine vorherige Kooperation voraus, ja nicht mal das man das, was derjenige getan hat, gut heißt.

Damit ist 'Gutheissen' eigentlich egalisiert. Das Spiel läuft ja wieder mit den gleichen Regeln. Wichtig, dass sich möglichst niemand daran erinnert und es nicht auffällt. Solche Vorgänge zeigen, dass eigentlich politische Vergehen nicht wirklich aufgearbeitet werden.

Das ist zu allgemein. Aber einige Einzelpersonen sind sicher drum herum gekommen, weil sie anderen nuetzlich waren.

Aber warum sollten sie aus Deiner Sicht überhaupt etwas aufarbeiten. Du hälst das ganze ja für ein internationales Komplett der Mächtigen in dem keiner unschuldiger ist als der andere.



Ein weiteres Beispiel? Hat nicht Adenauer FÜR das Ermächtigungsgesetz gestimmt? Wurde das je an die grosse Glocke gehängt?

Mir war es nicht bekannt.
Aber dennoch sind wir 15 Jahre später unter Adenauer recht gut gefahren und auch nicht wieder faschistisch geworden. Vielleicht war es so für die Deutschen leichter, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, weil der Boss selbst auch nicht ganz sauber war.

Nicht viele werden es gewusst haben, obwohl es eigentlich naheliegend ist: das Parlament hatte sich ja selbst ausgeschaltet - und hätte die Folgen wissen müssen. Hitler war in seiner Mentalität nicht unberechenbar, sein Buch war doch schon auf dem Markt, die Politik gegen die Juden im vollen Gange.

Korrekt. Wer damals zugestimmt hat, ist auch mit schuldig.


Deutschland war Anfang des Jahrhunderts wissenschaftlich sehr stark und hatte auch entsprechend viele Forscher und das Forscher ihre Erkentnisse gegenseitig austauschen ist auch normal und sinnvoll. Und viele von ihnen haben Anfangs der 30-ger Jahre Europa zugunsten der USA verlassen, hauptsächlich um sich den Nazis zu entziehen.

Das Widersprüchliche dabei ist noch, dass auch in den USA rechtsextreme Strömungen existierten. Die Geschichtsschreibung hat dem Deutschen Reich die böse Rolle zugeschrieben.

Und das vollkommen zurecht. Den zweiten Weltkrieg hat Deutschland vom Zaun gebrochen und der Holocaust war ebenso ein deutsches Verbrechen. Und beides ohne äußeren Zwang hausgemacht.
Wieso sollte es daran etwas ändern, daß es in den USA faschistische Gruppierungen gibt? Ich sehe da keinen Zusammenhang. Zumal da diese Gruppierungen in den USA auch nicht auf viel Gegenliebe stoßen, weil sie nämlich selten der eigenen Regierung wohlgesonnen sind. Einen großen Einfluß auf die Politik (der aber weiterhin irrelevant für das wäre, was die Nazis hier gemacht haben), ist also nicht vorhanden.


Staatssouveränität vorausgesetzt? Widerstand von unten, das Volk aus seiner Ohnmacht befreien (auch Soldaten sind das Volk), Absichten und Machenschaften enthüllen. Je früher man jedoch ansetzt, desto besser.

Zum Thema Wahrheit hat halt auch jeder seine eigene Version. Wie willst Du einem Volk von außen erklären, daß die Propaganda, mit der es täglich bombadiert wird, nicht die Wahrheit sagt? Wenn das so einfach zu machen wäre, hätte Saddam Hussein schon längst einen Sturz in Amerika herbeigeführt. Oder andersherum?

Ein Regime ohne viel Blutvergiessen zu stürzen, scheint nicht Sache von Staaten (und Staatsspitzen) zu sein.

Das ist ja das Ursprungsthema. Und da bleibe ich dabei, daß es ohne Blutvergiessen nur dann geht, wenn die Staatsmacht KEINE Gewalt einsetzt. Und von Den Nazis war das nicht zu erwarten.


Ein u.a. möglicher Weg: Friedensjournalimus (der sich nicht auf die Staatsspitze beschränken darf)

Was soll das sein?
Was glaubst Du, wieviele Artikel anno 1939 oder sei es auch '34 ein Journalist in Deutschland gegen den Krieg oder gegen die Deportation von Juden geschreiben hätte? Einen? Wahrschienlich nicht mal, weil nämlich sein Redakteur ihn nicht veröffentlich hätte. Und selbst wenn doch der erste durchgegangen wäre, wäre der Schreiber am Tag darauf hinter Stacheldraht gesessen und sein Eintagsfliegen-Artikel hätte wahrscheinlich kein großeres Publikum erreicht.


War es nicht 'Rüstung und Neuordnung' - sollte nicht eine ausschliessliche Auflistung darstellen. Die Rüstung nutzt die Situation des Krieges rücksichtslos für sich, sie ist Teil der Politik.

Nu in dem Fall, daß die Politik eine Aufrüstung betreibt. Das muß sie aber nicht, sondern ist Entsscheidung der Politik.


Denke aber, dass man über dieses Wort 'Neuordnung' genauer nachdenken sollte. Hitler wollte eine Neuordnung, aggressierte; die Alliierten machten dann die Neuordnung - nicht ohne eigennützigen Ziele, dabei hatten sie doch gesiegt! Deutschland lebte als Protektorat weiter, jedoch begünstigten die Siegermächte mit ihrer Politik weltweit Diktaturen. Wie erklärt man diesen Widerspruch?

Da geht es um Einflußnahme. Und da ist es einfacher, eine Clique der Mächtigen auf seine Seite zu ziehen, die dann ihre Volk beherrscht, als das Volks selbst zu beherrschen.
Und zumindest haben die Amis etc. keine Diktatur gebracht. Die Russen hingegen haben in der DDR eine aufgebaut.


Und am besten nicht mal das Schießpulver erfunden. Aber diese Frage stellt sich nur für den, der den Schritt zuerst tut. Für die, die durch diesen ersten Schritt des anderen bedroht werden, ist die Frage eine ganz andere: Ziehen wir nach oder liefern wir uns der Übermacht des anderen aus. Lassen wir es zu, daß Nazi-Deutschland als einziges Atombomben hat oder machen wir uns selbst auch welche?

Wir sehen das auch heute wieder an dem Beispiel der Kofferbomben aus Russland, dass die Entwicklung von Atombomben nicht wirklich Staatsgrenzen kennt, sondern sie einfach passiert.

Hast Du eigentlich schon meine drei mal gestellte Frage, was passiert wäre, wenn Nazi-Deutschland als einziges die Atombombe gehabt hätte, beantwortet?

Interessante Unterscheidung übrigens, dieses "Nazi-Deutschland" als distanzierenden Spezialisierung von "Deutschland". Wir sollten vielleicht allen Ländernamen eine Zustandsbeschreibung mit beigeben, z.B: Bush-USA.

Interessant sind auch solche Wortzusammenstellungen wie: die Kohl-Ära, oder: die USA unter Clinton, usw.

Wobei es dabei eher darum geht, typische Merkmale hervorzuheben und nicht sich zu distanzieren.


[Embargo gegen Irak]
Ich weiss nicht, was versprochen wurde. Der Krieg in Afghanistan ist aber eine Sache der USA, allenfalls der NATO. Das Embargo gegen den Irak ist meines Wissens eine Sache der UN, der ich wesentlich mehr Good-Will zugestehen würde, als den Bush-USA.

Sache der USA?

Natürlich. Ohne die USA hätte es keinen Einsatz in Afghanistan gegeben und die USA hätten es notfalls auch alleine gemacht.


Das hätten sie wohl gerne. Sie werden die Probleme nicht lösen wollen, die sie selber geschaffen haben. Die UN lassen sich in jüngster Zeit gerne beugen.

In welchen Fällen


Sollte das Embargo also helfen, Saddam zu beseitigen? Dann muss das kritische Volk gestärkt werden, aber nicht geschwächt.

Korrekt. Aber wie macht man das, ohne zugleich auch das Regime zu stärken?

Jede Aktion, die sich staatlicher Kontrolle entzieht (natürlich ohne böse sein zu wollen) schwächt das Regime. Menschenrechtsorganisationen, NROs, Privatpersonen, unabhängiger Journalismus: ihre Arbeit wird viel zu wenig unterstützt. Die Frage ist: warum wird gerade denen ihre Arbeit so erschwert oder auf sie nicht oder wenig eingegangen?

Das wäre sicher ein guter Weg. Der aber nicht unbedingt funktioniert. Der Irak hat eine etwas andere Vorstellung von Meinungs- und Presse-Freiheit als wir hier.


Das ist eine andere Rollenverteilung. Deine Verteilung ist doch die, dass die Weltgemeinschaft sich gegenüber dem irakischen Volk verhält, wie Hitler gegenüber den Juden. Im Fall Irak gibt es dabei den Posten Saddam Hussein. Dieser bräuchte nur zu sagen: "OK, ich gebe auf.", dann wäre das Volk gerettet. Im Holocaust gab es niemanden, der die Situation hätte so dramatisch und so einfach ändern können.

Der grosse Fehler, der solche fatalen Situationen begünstigt, ist der, dass nicht zugunsten der Bevölkerung eingegriffen wird. Die Maschine des Krieges begünstigte die Ermöglichung des Holocausts, denn das Interesse der Alliierten fokussierte anscheinend nicht auf eine Befreiung, sondern der Krieg entfachte sich an Territorialdifferenzen...

Welcher Art? Der zweite Weltkrieg hat eigentlich kaum Grenzverläufe verändert.

Die Maschine des Embargos seitens der Weltgemeinschaft begünstigt die Hungersnot. Aber weswegen greift man den Irak an? Weil ein Aufklärungsflugzeug angeschossen worden ist. Aber eine Diskussion um die 1,5 Millionen Toten im Zusammenhang mit dem Embargo will man tunlichst vermeiden, diese wurden laut Rice tatsächlich in Kauf genommen.

Das internationale Recht verbietet es, sich in die Innenpolitik anderer Länder einzumischen. Und wenn im Irak die Leute verhungern, weil ihr Diktator sich nicht internationalem Recht beugen will, dann ist das perverser Weise eine interne Katastrophe. Dann müßte man auch Nordkorea angreifen und andere Staaten, in denen es der Bevölkerung aufgrund der Staatsmacht schlecht geht. Willst DU das?


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Seelig sind die, die da arm an Geist sind, denn sie werden sich Christlich Soziale Union nennen.

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Von: revolutionsound (Rang: Moderator)   Beiträge: 3739
Mitglied seit: 18.02.2002
Geschrieben am: 08.09.2002 um 01:31 (1792 mal angezeigt)   ( 1. Antwort auf aktuellen Beitrag)   Diesen Beitrag als Aktuellen nehmen
Am 2002-09-07 17:42 hat Bodo geschrieben:

Am 2002-09-07 01:13 hat revolutionsound geschrieben:


[(internationale) Wissenschaft]
Wenn X zuerst für A arbeitet und danach für B, heißt das nicht, daß A und B zusammenarbeiten.

Wenn X das Spiel genau kennt, kann er gegen B und für A arbeiten und tatsächlich auch für A und B arbeiten. Und wenn der Konflikt zwischen A und B vorbei ist, kann er auch von C übernommen werden, der für B eingegriffen hat. Natürlich nur, wenn A ganz oben mitspielt.

Letzteres eben nicht. Wissenschaftler sind freie Personen und keine Produkte, die ein Staat an den anderen verkauft.

Richtig erkannt: sie sind frei. Egal was sie tun. Du musst nicht offiziell beim Geheimdienst arbeiten (eingetragenes Mitglied sein oder so), um für ihn zu arbeiten, wenn du die Spielregeln kennst.

Daraus und aus vielen ähnlichen Fällen läßt sich schliessen, daß wenn das Können von Nutzen ist, die Moral keine Rolle spielt. Das setzt aber nicht zwingend eine vorherige Kooperation voraus, ja nicht mal das man das, was derjenige getan hat, gut heißt.

Damit ist 'Gutheissen' eigentlich egalisiert. Das Spiel läuft ja wieder mit den gleichen Regeln. Wichtig, dass sich möglichst niemand daran erinnert und es nicht auffällt. Solche Vorgänge zeigen, dass eigentlich politische Vergehen nicht wirklich aufgearbeitet werden.

Das ist zu allgemein. Aber einige Einzelpersonen sind sicher drum herum gekommen, weil sie anderen nuetzlich waren.

Klar, weil sie das Wissen haben. So erklärt sich, dass Akten/Ausarbeitungen um einen Feldzug der Nazis in Afghanistan (1941) heute im Pentagon vermutet werden und wahrscheinlich immernoch herangezogen werden (BIERMANN/KLÖNNE 2002).

Aber warum sollten sie aus Deiner Sicht überhaupt etwas aufarbeiten. Du hälst das ganze ja für ein internationales Komplett der Mächtigen in dem keiner unschuldiger ist als der andere.

Immer wieder halten die Medien hoch, wie wenig tatsächliche Beweise geliefert werden, wie rigoros jedoch die Politik ist, obwohl die politischen Verbindungen (u.a. im Finanzgeschäft) der Entscheidungsträger selbst sehr zweifelhaft ist.

Deutschland war Anfang des Jahrhunderts wissenschaftlich sehr stark und hatte auch entsprechend viele Forscher und das Forscher ihre Erkentnisse gegenseitig austauschen ist auch normal und sinnvoll. Und viele von ihnen haben Anfangs der 30-ger Jahre Europa zugunsten der USA verlassen, hauptsächlich um sich den Nazis zu entziehen.

Das Widersprüchliche dabei ist noch, dass auch in den USA rechtsextreme Strömungen existierten. Die Geschichtsschreibung hat dem Deutschen Reich die böse Rolle zugeschrieben.

Und das vollkommen zurecht. Den zweiten Weltkrieg hat Deutschland vom Zaun gebrochen und der Holocaust war ebenso ein deutsches Verbrechen. Und beides ohne äußeren Zwang hausgemacht.

Jetzt ist die Frage: wo beginnt Rechtsextremismus? Muss man dazu ein Nazi sein? Oder muss man dazu die schwarze Bevölkerung unterdrücken? Die USA spielte schon zuvor eine langjährige äusserst üble Rolle.
Das Wissen um die Konzentrationslager war schon längst bei den Alliierten. Die Frage ist: hätte der Holocaust auf einem anderen Weg verhindert werden können? Warum wurde nicht reagiert und warum in den USA dieses Problem nicht thematisiert? Hätten sie denn einen Schnitt in das eigene Fleisch fürchten müssen?

Wieso sollte es daran etwas ändern, daß es in den USA faschistische Gruppierungen gibt? Ich sehe da keinen Zusammenhang. Zumal da diese Gruppierungen in den USA auch nicht auf viel Gegenliebe stoßen, weil sie nämlich selten der eigenen Regierung wohlgesonnen sind. Einen großen Einfluß auf die Politik (der aber weiterhin irrelevant für das wäre, was die Nazis hier gemacht haben), ist also nicht vorhanden.

Staatssouveränität vorausgesetzt? Widerstand von unten, das Volk aus seiner Ohnmacht befreien (auch Soldaten sind das Volk), Absichten und Machenschaften enthüllen. Je früher man jedoch ansetzt, desto besser.

Zum Thema Wahrheit hat halt auch jeder seine eigene Version. Wie willst Du einem Volk von außen erklären, daß die Propaganda, mit der es täglich bombadiert wird, nicht die Wahrheit sagt? Wenn das so einfach zu machen wäre, hätte Saddam Hussein schon längst einen Sturz in Amerika herbeigeführt. Oder andersherum?

Ein Regime ohne viel Blutvergiessen zu stürzen, scheint nicht Sache von Staaten (und Staatsspitzen) zu sein.

Das ist ja das Ursprungsthema. Und da bleibe ich dabei, daß es ohne Blutvergiessen nur dann geht, wenn die Staatsmacht KEINE Gewalt einsetzt. Und von Den Nazis war das nicht zu erwarten.

Sicher: und auf das Thema werden wir immer wieder zurückkommen (müssen). Ich schreibe nichtstaatliche Hilfe mehr Ehrlichkeit und Engagement zu: das scheint sich immer wieder zu bewahrheiten. Solche Hilfe wird leider international durch staatliche Institutionen oft blockiert. Natürlich waren die Nazis nicht kooperationsbereit.

Ein u.a. möglicher Weg: Friedensjournalimus (der sich nicht auf die Staatsspitze beschränken darf)

Was soll das sein?
Was glaubst Du, wieviele Artikel anno 1939 oder sei es auch '34 ein Journalist in Deutschland gegen den Krieg oder gegen die Deportation von Juden geschreiben hätte? Einen? Wahrschienlich nicht mal, weil nämlich sein Redakteur ihn nicht veröffentlich hätte. Und selbst wenn doch der erste durchgegangen wäre, wäre der Schreiber am Tag darauf hinter Stacheldraht gesessen und sein Eintagsfliegen-Artikel hätte wahrscheinlich kein großeres Publikum erreicht.

Selbst die Zeugen Jehovas und die katholische Kirche sind konform gegangen. Das Wissen um die Fakten hätte viele Wege nach draussen gehabt. Journalisten sind ins Ausland geflohen und haben veröffentlicht und gewarnt, auch die deutsche Bevölkerung unterrichtet und gewarnt. Es war eine schlaugemeine Taktik im Zuge einer langjährigen Machtgewinnung das Volk erstmal gegeneinder in einen Aufruhr von rechts gegen links zu bringen.

Denke aber, dass man über dieses Wort 'Neuordnung' genauer nachdenken sollte. Hitler wollte eine Neuordnung, aggressierte; die Alliierten machten dann die Neuordnung - nicht ohne eigennützigen Ziele, dabei hatten sie doch gesiegt! Deutschland lebte als Protektorat weiter, jedoch begünstigten die Siegermächte mit ihrer Politik weltweit Diktaturen. Wie erklärt man diesen Widerspruch?

Da geht es um Einflußnahme. Und da ist es einfacher, eine Clique der Mächtigen auf seine Seite zu ziehen, die dann ihre Volk beherrscht, als das Volks selbst zu beherrschen.
Und zumindest haben die Amis etc. keine Diktatur gebracht. Die Russen hingegen haben in der DDR eine aufgebaut.

Deutschland wurde ein funktionierendes Protektorat, mit sehr anderen Zügen als die DDR. Aber das Wesen der Politik der USA darf nicht nur anhand der Deutschlandpolitik, die natürlich auch dem Eigeninteresse dienen muss, sondern auch anhand der Stellvertreterkriege.

Und am besten nicht mal das Schießpulver erfunden. Aber diese Frage stellt sich nur für den, der den Schritt zuerst tut. Für die, die durch diesen ersten Schritt des anderen bedroht werden, ist die Frage eine ganz andere: Ziehen wir nach oder liefern wir uns der Übermacht des anderen aus. Lassen wir es zu, daß Nazi-Deutschland als einziges Atombomben hat oder machen wir uns selbst auch welche?

Wir sehen das auch heute wieder an dem Beispiel der Kofferbomben aus Russland, dass die Entwicklung von Atombomben nicht wirklich Staatsgrenzen kennt, sondern sie einfach passiert.

Hast Du eigentlich schon meine drei mal gestellte Frage, was passiert wäre, wenn Nazi-Deutschland als einziges die Atombombe gehabt hätte, beantwortet?

Ja. Aber nicht so wie du es erwartet hast. Es war zu früh, um die ganze Welt unterzujochen. Hitler gehört zweifellos in die Kategorie von Unwesen, die keine Scheu davor gehabt hätten, diese schreckliche Waffe tatsächlich einzusetzen. Hier ist aber eine grosse Lücke in der Logik der Geschichte der Atombombe. Warum haben die Nazis die Atombombe nicht tatsächlich zuende entwickelt? Sehr viel Wissen um die Technologie, kam doch, wie vorher angeschnitten, aus dem Deutschen Reich?

Interessante Unterscheidung übrigens, dieses "Nazi-Deutschland" als distanzierenden Spezialisierung von "Deutschland". Wir sollten vielleicht allen Ländernamen eine Zustandsbeschreibung mit beigeben, z.B: Bush-USA.

Interessant sind auch solche Wortzusammenstellungen wie: die Kohl-Ära, oder: die USA unter Clinton, usw.

Wobei es dabei eher darum geht, typische Merkmale hervorzuheben und nicht sich zu distanzieren.

Mir sind diese Begriffe eigentlich auch wertfrei begegnet. "Nazi-Deutschland" kann per se nicht ganz diesen Charakter tragen.

[Embargo gegen Irak]
Ich weiss nicht, was versprochen wurde. Der Krieg in Afghanistan ist aber eine Sache der USA, allenfalls der NATO. Das Embargo gegen den Irak ist meines Wissens eine Sache der UN, der ich wesentlich mehr Good-Will zugestehen würde, als den Bush-USA.

Sache der USA?

Natürlich. Ohne die USA hätte es keinen Einsatz in Afghanistan gegeben und die USA hätten es notfalls auch alleine gemacht.

Besonders brisant ist Brisards und Dasquiés Vorwurf, dass die amerikanische Regierung die Ermittlungsarbeit des FBI massiv behindert habe. Dabei beruft sich Jean-Charles Brisard auf den ehemaligen Chef der Antiterrorabteilung des New Yorker FBI-Büros, John O'Neill, der über Jahre die Untersuchungen gegen die Terrororganisation Al Quaida geleitet hat. Bei zwei Treffen im Juni und im Juli 2001 habe John O'Neill ihm mitgeteilt, dass nach seinen Erkenntnissen das "Zentrum des Übels" in Saudi-Arabien liege. Das saudische Königshaus spiele eine verbrecherische Doppelrolle: als Unterstützer von Al Quaida und als Partner der USA im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Trotz der erdrückenden Beweise für die engen Verbindungen zwischen der königlichen Familie und Al Quaida habe Amerika die guten Beziehungen zu Saudi-Arabien nicht gefährden wollen, weil es ihm Dank für seine "Treue" und die Öllieferungen schulde. O'Neill habe schließlich den Eindruck gehabt, dass seine Ermittlungen gegen bin Laden von oberster Stelle boykottiert worden seien. Jean-Charles Brisard: "O'Neill sagte mir, er sei völlig frustriert. Ihm schien die Führung des FBI zunehmend dem starken politischen Druck nachzugeben. Der Einfluss der Diplomatie untergrabe seine Arbeit. Es wurde für ihn einfach unerträglich. Er war entschlossen, das FBI zu verlassen und in die Privatwirtschaft zu gehen." Claudia Kuhland

USA ist verstrickt. Sie darf die Afghanistan-Frage nicht lösen.

Das hätten sie wohl gerne. Sie werden die Probleme nicht lösen wollen, die sie selber geschaffen haben. Die UN lassen sich in jüngster Zeit gerne beugen.

In welchen Fällen

Kosovo. Das UN-Recht wurde von der NATO gebeugt. Wie ist es mit Afghanistan? Die UN hatten eine Operation vorgeschlagen, die auf Schlüsselfiguren abzielt (eine Art Polizeiaktion). Hinzu kommt, dass die USA selbst im Terrorismus verstrickt sind - streng genommen achten sie das Völkerrecht nicht.

Sollte das Embargo also helfen, Saddam zu beseitigen? Dann muss das kritische Volk gestärkt werden, aber nicht geschwächt.

Korrekt. Aber wie macht man das, ohne zugleich auch das Regime zu stärken?

Jede Aktion, die sich staatlicher Kontrolle entzieht (natürlich ohne böse sein zu wollen) schwächt das Regime. Menschenrechtsorganisationen, NROs, Privatpersonen, unabhängiger Journalismus: ihre Arbeit wird viel zu wenig unterstützt. Die Frage ist: warum wird gerade denen ihre Arbeit so erschwert oder auf sie nicht oder wenig eingegangen?

Das wäre sicher ein guter Weg. Der aber nicht unbedingt funktioniert. Der Irak hat eine etwas andere Vorstellung von Meinungs- und Presse-Freiheit als wir hier.

In Sachen Meinungs- und Pressefreiheit sind auch die USA ein sehr schlechtes Beispiel. Im Umgang mit Menschenrechtsorganisationen geben sie ein sehr schlechtes Beispiel - und damit haben sie auf der Schiene Ähnlichkeit mit Irak. Klar unterscheidet sich der Irak erheblich. Was wäre jedoch in den USA los, wenn Presse und Menschenrechtsorganisationen der Regierung nicht immer wieder Einhalt gebieten würden? Die USA löst die Irakfrage nicht, wie sich auch die Afghanistanfrage nicht gelöst hat, sondern aus Eigeninteresse genutzt hat. An solche Probleme müssen unabhängige Kräfte ran. Ich bin mir sicher, dass Hussein in seinem eigenen Land nicht allmächtig ist. Selbst in Afghanistan gab es ernstzunehmende Initiativen, vor denen sich auch die USA fürchten muss, da sie offensichtlich an Kriegsverbrechen beteiligt ist. Tatsächlich muss die Arbeit in irgendeiner Form gegen beide Kriegsparteien erfolgen.

Das ist eine andere Rollenverteilung. Deine Verteilung ist doch die, dass die Weltgemeinschaft sich gegenüber dem irakischen Volk verhält, wie Hitler gegenüber den Juden. Im Fall Irak gibt es dabei den Posten Saddam Hussein. Dieser bräuchte nur zu sagen: "OK, ich gebe auf.", dann wäre das Volk gerettet. Im Holocaust gab es niemanden, der die Situation hätte so dramatisch und so einfach ändern können.

Der grosse Fehler, der solche fatalen Situationen begünstigt, ist der, dass nicht zugunsten der Bevölkerung eingegriffen wird. Die Maschine des Krieges begünstigte die Ermöglichung des Holocausts, denn das Interesse der Alliierten fokussierte anscheinend nicht auf eine Befreiung, sondern der Krieg entfachte sich an Territorialdifferenzen...

Welcher Art? Der zweite Weltkrieg hat eigentlich kaum Grenzverläufe verändert.

Provoziert hat Deutschland. Territorien haben sich die Alliierten eingeheimst. Das betrifft die Staaten (Nicht nur die Staaten sind Global Players).
Ein Blick auf die DDR: ein eigener Staat war die DDR, ein Protektorat dazu. Ausserdem wurde die DDR blockzugehörig. Und sie war unter der eisernen Fuchtel der UDSSR. Eine Mehrebenenbetrachtung lohnt sich und lässt ganz andere Grenzen wesentlich werden - insbesondere die des Einflussbereiches.

Die Maschine des Embargos seitens der Weltgemeinschaft begünstigt die Hungersnot. Aber weswegen greift man den Irak an? Weil ein Aufklärungsflugzeug angeschossen worden ist. Aber eine Diskussion um die 1,5 Millionen Toten im Zusammenhang mit dem Embargo will man tunlichst vermeiden, diese wurden laut Rice tatsächlich in Kauf genommen.

Das internationale Recht verbietet es, sich in die Innenpolitik anderer Länder einzumischen. Und wenn im Irak die Leute verhungern, weil ihr Diktator sich nicht internationalem Recht beugen will, dann ist das perverser Weise eine interne Katastrophe. Dann müßte man auch Nordkorea angreifen und andere Staaten, in denen es der Bevölkerung aufgrund der Staatsmacht schlecht geht. Willst DU das?

Halt. Die 1,5 Mio Todesopfer betrachte ich als Opfer dieser Maschine: Staatssouveränität, UN, USA und der Irak. Nie ist die Politik dieser Kräfte tatsächlich bevölkerungsorientiert, sondern interessenorientiert. Sie streiten sich um die Waffenkontrolleure, nicht um die Hungersopfer!! So ist Rice zu verstehen, wenn sie meint, dass es das wert sei, sich für das Embargo entschieden zu haben.

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