Angezeigtes Thema: 'Eher maessige Kritiken fuer Inszenierung 'Die FDP und der Zentralrat'.'
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Von: Kunstguerilla (Rang: Moderator)   Beiträge: 508
Mitglied seit: 13.01.2002
Geschrieben am: 21.06.2002 um 12:06 (2971 mal angezeigt)   (Aktuell gewählter Beitrag)
Boah! Noch drei zu dem Thema

Am 2002-06-17 23:44 hat Bodo geschrieben:

Ich sehe es eher so, dass sich die schweigenden Rassisten nun, nachdem es solch eine prominente Person wie Möllemann geäußert hat, bestärkt fühlen, ihr Maul aufzumachen.

Wenn diese nur Moellemann aus prominenten Stichwortgeber gebraeucht haetten, dann waeren sie ja ohnehin schon da gewesen.

Ja was denkst Du? Dass die durch Möllemann von heute auf morgen plötzlich vom multikulturellen Weltbürger zum Antisemiten wurden? Natürlich nicht. Die sind längst da. Weit vor dem Möllemann-Fall ergab eine Umfrage unter Deutsche, dass 15-20% latent antisemitisch sind. Und eben genau deshalb muss man entschiedenst dagegen halten, wenn antisemitische Ausfälle wieder zum Kavaliersdelikt aufgrund Bevölkerungszustimmung werden, wie in den 30er Jahren.

Also ich hatte davon nichts mitgekriegt bevor alle eingefallen sind.

Dafür können aber die Kritiker nichts, oder?

Das koennen die nicht wissen. Aber das weisst darauf hin, dass zuvor die Verbreitung nicht soooo hoch gewesen sein kann. Auf jeden fall bei weitem nicht so hoch, wie sie es nach drei Wochen Dauerthema war. Eine bessere Wahlkampfhilfe haette man Moellemann gar nicht leisten koennen.

Möglich, und dennoch bleibt die - noch immer unbeantwortete Frage - was die Alternative gewesen wäre? Einfach so unkommentiert stehen lassen?

Wenn man den Verursacher will, ist man bei Moellemann richtig. Aber der Umgang damit und die dabei zu machenden Fehler, liegt bei vielen anderen.

Das schliesse ich nicht aus, ändert aber nichts an der Notwendigkeit, solcher Propaganda Paroli zu bieten.

Es gibt keine Patentloesungen.

Aber es gibt den Versuch, zu einer Lösung zu kommen.

Und genau da versuchen wir seit 40 Jahren dasselbe Haudrauf-Prinzip. Und es hat uns der Loesung keinen Schritt naeher gebracht.

Sehe ich weniger drastisch. Wenn es auch mühsam war und viele Fehler gemacht wurden, so konnte die Gesellschaft doch bis auf eine Randgruppe "entnazifiziert" werden. Blicke einmal nach Österreich, die wären froh, wenn sie so weit wären.

[Schon wieder Walser, gähn]

Interessant fand ich z. B. die Charakterisierung von Uwe Wittstock in der Welt, der sagt, in unserer Literatur müsse Platz sein "für jüdische Figuren, die keine Heilige sind" (wohl wahr). Wenn er aber erklärt: "[...] der Kritiker Andre Ehrl-König in Walsers Roman ist kein Mensch, sondern ein Monster an Korruptheit, Vulgarität, Eitelkeit und Geilheit. Der von ihm verkörperte Jude ist eine reine Hassgestalt.", dann ist das entlarvend, denn wie wurden denn die Juden in der Nazi-Zeit, etwa in dem unsäglichen Propaganda-Werk "Jud Süss", dargestellt?!

Klisches kann man auch benutzen, um zu zeigen, dass sie falsch sind.

So hat es Walser aber - angeblich - nicht angewandt, sondern eher nach dem Stile von "Jud Süss": Man kreiert eine negative Figur und bedient sich dabei der bekannten Vorurteile, z. B. dem Bild des habgierigen Juden.

Ist das jetzt ein Zitat aus dem Buch oder von Frau Wittstock.

Äh, das ist ein Kommentar von *Herrn* Wittstock

Nein, nein, das Buch zeigt nicht die Lächerlichkeit von Antisemitismus, sondern es bedient die Vorurteile noch.

Ist doch logisch. Vorurteile sind gerne laecherlich und wenn man das zeigen will, dann doch am besten, indem man sie benutzt. "Der Herr Friedmann ist bloed, weil der hat ne juedische Nase." Damit zeigt man doch wundervoll, wie albern das Klische ist.

Man kann es drehen und wenden, wie man will ...

Man MUSS die Dinge drehen und wenden weil sonst sieht man nur eine Seite.

Du siehst aber auf eine Seite, die gar nicht da ist. Wie machst Du das?

Jetzt müssen wir doch noch eine Literaturstunde aufmachen: Dein Einwurf von der ästhetischen Überspitzung, um die Absurdität von Antisemitismus zu zeigen, würde dann Sinn machen, wenn das Negativum, die Anti-Figur des Romans derjenige wäre, der den Kritiker tötet. So ist es aber nicht, nein, der Jude ist die Anti-Figur (in realiter Reich-Ranitzky für Walser, der ihn literarisch tötet) und die Tötung ist so konstruiert - nach allem, was ich bisher zum Roman gehört und gelesen habe -, dass der Leser dafür Verständnis zeigt.

Es hilft nichts, Du kannst es drehen und wenden, wie Du willst ...

Grüße, Andreas.

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Von: Bodo (Rang: Moderator)   Beiträge: 2722
Mitglied seit: 13.01.2002
Geschrieben am: 21.06.2002 um 14:15 (2905 mal angezeigt)   ( 1. Antwort auf aktuellen Beitrag)   Diesen Beitrag als Aktuellen nehmen
Am 2002-06-21 12:06 hat Kunstguerilla geschrieben:

Das koennen die nicht wissen. Aber das weisst darauf hin, dass zuvor die Verbreitung nicht soooo hoch gewesen sein kann. Auf jeden fall bei weitem nicht so hoch, wie sie es nach drei Wochen Dauerthema war. Eine bessere Wahlkampfhilfe haette man Moellemann gar nicht leisten koennen.

Möglich, und dennoch bleibt die - noch immer unbeantwortete Frage - was die Alternative gewesen wäre? Einfach so unkommentiert stehen lassen?

Was mir am meisten aufgestossen ist, war die in vielen Faellen bigotte Verurteilung durch die anderen Parteien und die Sturrheit des Zentralrats nicht mit der FDP reden zu wollen, sondern nur ueber die Oeffentlichkeit Paroli zu bieten.

Es ist aber auch verdammt schade, dass man die Zeit nicht zurueckdrehen und Moellemann das ganze noch einmal ohne das kritische "foerden" sagen lassen kann.
Wie haette man reagiert, wenn ein prominenter, deutscher Politiker etwas wie "Ist festzustellen, dass das Verhaltens Israels in vielen Deutschen antisemitische Denkweisen weckt" gesagt haette?

Wenn man den Verursacher will, ist man bei Moellemann richtig. Aber der Umgang damit und die dabei zu machenden Fehler, liegt bei vielen anderen.

Das schliesse ich nicht aus, ändert aber nichts an der Notwendigkeit, solcher Propaganda Paroli zu bieten.

Auch wenn man sich damit zum Teil dieser Propaganda macht, indem man fuer Aufmerksamkeit sorgt (Moellemann war wohl noch nie so gefragt wie jetzt) und eine ganze Partei mit einer Kollektiv-Schuld abstraft?


Und genau da versuchen wir seit 40 Jahren dasselbe Haudrauf-Prinzip. Und es hat uns der Loesung keinen Schritt naeher gebracht.

Sehe ich weniger drastisch. Wenn es auch mühsam war und viele Fehler gemacht wurden, so konnte die Gesellschaft doch bis auf eine Randgruppe "entnazifiziert" werden.

20%, die mehr oder weniger latent entisemitisch sind, sind doch keine Randgruppe.


Blicke einmal nach Österreich, die wären froh, wenn sie so weit wären.

Na dann stehen wir internationalen Vergleich gar nicht so schlecht da? (-;


[Schon wieder Walser, gähn]
Klisches kann man auch benutzen, um zu zeigen, dass sie falsch sind.

So hat es Walser aber - angeblich - nicht angewandt, sondern eher nach dem Stile von "Jud Süss": Man kreiert eine negative Figur und bedient sich dabei der bekannten Vorurteile, z. B. dem Bild des habgierigen Juden.

Man kann wohl keine Klisches verwenden, ohne Vorurteile zu gebrauchen.

Ist das jetzt ein Zitat aus dem Buch oder von Frau Wittstock.

Äh, das ist ein Kommentar von *Herrn* Wittstock

Och! Das find ich jetzt aber Diskriminierend! (-;


Man MUSS die Dinge drehen und wenden weil sonst sieht man nur eine Seite.

Du siehst aber auf eine Seite, die gar nicht da ist. Wie machst Du das?

Ich sehe die Seite nicht, sondern ich weiss lediglich, dass ich noch nicht alles gesehen habe.

Jetzt müssen wir doch noch eine Literaturstunde aufmachen: Dein Einwurf von der ästhetischen Überspitzung, um die Absurdität von Antisemitismus zu zeigen, würde dann Sinn machen, wenn das Negativum, die Anti-Figur des Romans derjenige wäre, der den Kritiker tötet. So ist es aber nicht, nein, der Jude ist die Anti-Figur (in realiter Reich-Ranitzky für Walser, der ihn literarisch tötet) und die Tötung ist so konstruiert - nach allem, was ich bisher zum Roman gehört und gelesen habe -, dass der Leser dafür Verständnis zeigt.

Also mit "der Leser dafuer Verstaendnis zeigt" meinst Du jetzt ja, dass die Literatur-Experten dafuer Verstaendnis zeigen. Sonst hat es ja keiner gelesen <-:



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