Angezeigtes Thema: 'Eher maessige Kritiken fuer Inszenierung 'Die FDP und der Zentralrat'.'
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Von: Bodo (Rang: Moderator)   Beiträge: 2722
Mitglied seit: 13.01.2002
Geschrieben am: 17.06.2002 um 23:44 (3044 mal angezeigt)   (Aktuell gewählter Beitrag)
Am 2002-06-17 09:32 hat Kunstguerilla geschrieben:

Und in diesem Fall denke ich, dass dieses Theater dem Antisemitismus eher Vorschub geleistet denn Boden genommen hat.

Schade, dann wären die Deutschen dümmer als ich dachte Ich sehe es eher so, dass sich die schweigenden Rassisten nun, nachdem es solch eine prominente Person wie Möllemann geäußert hat, bestärkt fühlen, ihr Maul aufzumachen.

Wenn diese nur Moellemann aus prominenten Stichwortgeber gebraeucht haetten, dann waeren sie ja ohnehin schon da gewesen.


Ist doch nicht wahr. Möllemann hat seinen Angriff medial verbreitet und erst daraufhin regte sich die Kritik.

Also ich hatte davon nichts mitgekriegt bevor alle eingefallen sind.

Dafür können aber die Kritiker nichts, oder?

Das koennen die nicht wissen. Aber das weisst darauf hin, dass zuvor die Verbreitung nicht soooo hoch gewesen sein kann. Auf jeden fall bei weitem nicht so hoch, wie sie es nach drei Wochen Dauerthema war. Eine bessere Wahlkampfhilfe haette man Moellemann gar nicht leisten koennen.

Du hast die falschen Schuldigen auf Deiner Rechnung. "Wer hat angefangen?" ist, was man bezüglich dem Verursacher fragen muss.

Wenn man den Verursacher will, ist man bei Moellemann richtig. Aber der Umgang damit und die dabei zu machenden Fehler, liegt bei vielen anderen.

Es gibt keine Patentloesungen.

Aber es gibt den Versuch, zu einer Lösung zu kommen.

Und genau da versuchen wir seit 40 Jahren dasselbe Haudrauf-Prinzip. Und es hat uns der Loesung keinen Schritt naeher gebracht.

Interessant fand ich z. B. die Charakterisierung von Uwe Wittstock in der Welt, der sagt, in unserer Literatur müsse Platz sein "für jüdische Figuren, die keine Heilige sind" (wohl wahr). Wenn er aber erklärt: "[...] der Kritiker Andre Ehrl-König in Walsers Roman ist kein Mensch, sondern ein Monster an Korruptheit, Vulgarität, Eitelkeit und Geilheit. Der von ihm verkörperte Jude ist eine reine Hassgestalt.", dann ist das entlarvend, denn wie wurden denn die Juden in der Nazi-Zeit, etwa in dem unsäglichen Propaganda-Werk "Jud Süss", dargestellt?!

Klisches kann man auch benutzen, um zu zeigen, dass sie falsch sind.
Ist das jetzt ein Zitat aus dem Buch oder von Frau Wittstock.

Nein, nein, das Buch zeigt nicht die Lächerlichkeit von Antisemitismus, sondern es bedient die Vorurteile noch.

Ist doch logisch. Vorurteile sind gerne laecherlich und wenn man das zeigen will, dann doch am besten, indem man sie benutzt. "Der Herr Friedmann ist bloed, weil der hat ne juedische Nase." Damit zeigt man doch wundervoll, wie albern das Klische ist.

Man kann es drehen und wenden, wie man will ...

Man MUSS die Dinge drehen und wenden weil sonst sieht man nur eine Seite.

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Antworten:
Von: Kunstguerilla (Rang: Moderator)   Beiträge: 508
Mitglied seit: 13.01.2002
Geschrieben am: 21.06.2002 um 12:06 (2995 mal angezeigt)   ( 1. Antwort auf aktuellen Beitrag)   Diesen Beitrag als Aktuellen nehmen
Boah! Noch drei zu dem Thema

Am 2002-06-17 23:44 hat Bodo geschrieben:

Ich sehe es eher so, dass sich die schweigenden Rassisten nun, nachdem es solch eine prominente Person wie Möllemann geäußert hat, bestärkt fühlen, ihr Maul aufzumachen.

Wenn diese nur Moellemann aus prominenten Stichwortgeber gebraeucht haetten, dann waeren sie ja ohnehin schon da gewesen.

Ja was denkst Du? Dass die durch Möllemann von heute auf morgen plötzlich vom multikulturellen Weltbürger zum Antisemiten wurden? Natürlich nicht. Die sind längst da. Weit vor dem Möllemann-Fall ergab eine Umfrage unter Deutsche, dass 15-20% latent antisemitisch sind. Und eben genau deshalb muss man entschiedenst dagegen halten, wenn antisemitische Ausfälle wieder zum Kavaliersdelikt aufgrund Bevölkerungszustimmung werden, wie in den 30er Jahren.

Also ich hatte davon nichts mitgekriegt bevor alle eingefallen sind.

Dafür können aber die Kritiker nichts, oder?

Das koennen die nicht wissen. Aber das weisst darauf hin, dass zuvor die Verbreitung nicht soooo hoch gewesen sein kann. Auf jeden fall bei weitem nicht so hoch, wie sie es nach drei Wochen Dauerthema war. Eine bessere Wahlkampfhilfe haette man Moellemann gar nicht leisten koennen.

Möglich, und dennoch bleibt die - noch immer unbeantwortete Frage - was die Alternative gewesen wäre? Einfach so unkommentiert stehen lassen?

Wenn man den Verursacher will, ist man bei Moellemann richtig. Aber der Umgang damit und die dabei zu machenden Fehler, liegt bei vielen anderen.

Das schliesse ich nicht aus, ändert aber nichts an der Notwendigkeit, solcher Propaganda Paroli zu bieten.

Es gibt keine Patentloesungen.

Aber es gibt den Versuch, zu einer Lösung zu kommen.

Und genau da versuchen wir seit 40 Jahren dasselbe Haudrauf-Prinzip. Und es hat uns der Loesung keinen Schritt naeher gebracht.

Sehe ich weniger drastisch. Wenn es auch mühsam war und viele Fehler gemacht wurden, so konnte die Gesellschaft doch bis auf eine Randgruppe "entnazifiziert" werden. Blicke einmal nach Österreich, die wären froh, wenn sie so weit wären.

[Schon wieder Walser, gähn]

Interessant fand ich z. B. die Charakterisierung von Uwe Wittstock in der Welt, der sagt, in unserer Literatur müsse Platz sein "für jüdische Figuren, die keine Heilige sind" (wohl wahr). Wenn er aber erklärt: "[...] der Kritiker Andre Ehrl-König in Walsers Roman ist kein Mensch, sondern ein Monster an Korruptheit, Vulgarität, Eitelkeit und Geilheit. Der von ihm verkörperte Jude ist eine reine Hassgestalt.", dann ist das entlarvend, denn wie wurden denn die Juden in der Nazi-Zeit, etwa in dem unsäglichen Propaganda-Werk "Jud Süss", dargestellt?!

Klisches kann man auch benutzen, um zu zeigen, dass sie falsch sind.

So hat es Walser aber - angeblich - nicht angewandt, sondern eher nach dem Stile von "Jud Süss": Man kreiert eine negative Figur und bedient sich dabei der bekannten Vorurteile, z. B. dem Bild des habgierigen Juden.

Ist das jetzt ein Zitat aus dem Buch oder von Frau Wittstock.

Äh, das ist ein Kommentar von *Herrn* Wittstock

Nein, nein, das Buch zeigt nicht die Lächerlichkeit von Antisemitismus, sondern es bedient die Vorurteile noch.

Ist doch logisch. Vorurteile sind gerne laecherlich und wenn man das zeigen will, dann doch am besten, indem man sie benutzt. "Der Herr Friedmann ist bloed, weil der hat ne juedische Nase." Damit zeigt man doch wundervoll, wie albern das Klische ist.

Man kann es drehen und wenden, wie man will ...

Man MUSS die Dinge drehen und wenden weil sonst sieht man nur eine Seite.

Du siehst aber auf eine Seite, die gar nicht da ist. Wie machst Du das?

Jetzt müssen wir doch noch eine Literaturstunde aufmachen: Dein Einwurf von der ästhetischen Überspitzung, um die Absurdität von Antisemitismus zu zeigen, würde dann Sinn machen, wenn das Negativum, die Anti-Figur des Romans derjenige wäre, der den Kritiker tötet. So ist es aber nicht, nein, der Jude ist die Anti-Figur (in realiter Reich-Ranitzky für Walser, der ihn literarisch tötet) und die Tötung ist so konstruiert - nach allem, was ich bisher zum Roman gehört und gelesen habe -, dass der Leser dafür Verständnis zeigt.

Es hilft nichts, Du kannst es drehen und wenden, wie Du willst ...

Grüße, Andreas.

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Wir haben die Demokratie längst verschlafen, deshalb müssen wir
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